In welcher Sprache muss der Antrag gestellt werden?
Der Antrag kann in einer der 3 Landessprachen verfasst sein. Bei einer laufenden Asylprozedur, oder wenn die Asylprozedur seit weniger als 6 Monaten abgeschlossen ist, muss der Antrag in der gleichen Sprache, wie die während der Asylprozedur genutzten verfasst sein.
Die Medizinischen Atteste und Berichte können in den 3 Landesprachen, unabhängig von der Antragssprache verfasst sein (ein Antrag in Deutsch darf also beispielsweise ein medizinisches Attest in französischer Sprache enthalten).
Informationen über die Zugänglichkeit der erforderlichen Behandlung im Herkunfstland können dem Antrag auch in englischer Sprache angefügt werden.
Die Identitätsdokumente sollten von einem vereidigten Übersetzer übersetzt werden, wenn die Informationen nicht auch auf Deutsch, Französich, Niederländisch oder Englisch auf den Dokumenten enthalten sind.
Was ist mit den Familienmitgliedern des Antragsstellers? Erhalten sie ebenfalls einen Aufenthaltstitel?
Ja, allerdings müssen die Familienmitglieder im Antrag explizit erwähnt werden und sie müssen mit dem Antragssteller zusammenleben. Ist dies nicht der Fall, erhalten Sie kein Aufenthaltsrecht. Nur Mitglieder der Kernfamilie, sprich (Ehe-)Partner und deren Kinder (die noch zu Lasten sind), werden hier berücksichtigt. Großeltern oder Tanten und Onkel können zur Kernfamilie gehören, wenn sie als Ersatz für die Eltern für die Pflege eines kranken Kindes einstehen.
Was ist der Unterschied zwischen effektivem Wohnsitz und gewähltem Wohnsitz?
Der Effektive Wohnsitz ist der Wohnsitz, an der der Antragsteller lebt. Das Ausländeramt bittet die Gemeinde zu kontrollieren, ob sich der Antragsteller tatsächlich an der angegebenen Adresse aufhält (Wohnsitzkontrolle durch die Polizei). Der gewählte Wohnsitz ist die Adresse, an die die Post des Ausländeramtes zugestellt werden soll. Dies kann beispielsweise die Adresse des Anwalts sein.
Achtung bei Adressenwechsel: Sollte sich eine der Adressen ändern während der Prozedur, müssen Sie dies dem Ausländeramt schrifftlich per Einschreiben mitteilen.
Wie muss das medizinische Attest ausgefüllt werden?
Nutzen Sie nur das vom Ausländeramt veröffentlichte Attest („Attestation médicale type“)
Fehlt dieses ausgefüllte Dokument, wird der Antrag automatisch für nicht annehmbar erklärt. Dieses Attest muss gut leserlich sein und folgende Informationen enthalten:
- Krankheit/Diagnose: Eine detaillierte Beschreibung der Krankheit(en)/Pathologien. Es kann dabei sinnvoll sein, dass der Hausarzt das Attest ausfüllt, da er normalerweise über alle Informationen zum Gesundheitszustand verfügt. Der Hausarzt sollte in diesem Fall vorhandene medizinische Berichte von Spezialisten dem Attest anfügen um die Diagnose(n) zu untermauern. Verweist er in seinem Attest nicht explizit auf diese Berichte, werden diese bei der Prüfung des Antrags nicht berücksichtigt vom Ausländeramt. Es nutzt also nichts dem Attest noch etliche Berichte beizufügen, wenn diese nicht explizit im Attest erwähnt sind.
- „Schweregrad“ der Krankheit: Unter Schweregrad der Krankheit versteht das Ausländeramt, in wieweit die Krankheit und die notwendige Behandlung reelle Risiken beinhalten, in Bezug auf das Leben des Patienten oder seine Integrität und/oder auf eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, falls der Patient in sein Herkunftsland zurückkehrt und dort nicht die notwendige Behandlung erhält.
Kurz: Informationen über den Zusammenhang zwischen der Krankheit/die Behandlung einerseits und das eventuelle Risiko bei einer nicht Behandlung oder nicht adäquaten Behandlung anderseits. Diese Informationen müssen auch für einen Nichtmediziner verständlich sein. Es reicht nicht, lediglich zu attestieren, dass es sich um eine ernste Krankheit handelt. Fragen, die in diesem Zusammenhang ebenfalls beantwortet werden sollten: Ist Betreuung notwendig oder kann der Patient seinen Alltag alleine meistern? Kann der Patient arbeiten? Eingeschränkt? Ist er reisefähig? - Notwendige Behandlung: Der Arzt sollte auch hier so genau wie möglich sein und alle notwendigen medizinischen Behandlungen (kurz-mittel- und langfristig) und eventuell weitere benötigten Hilfen ausführen: ◦Welche Medikamente (Angabe des Wirkstoffes)?
- Regelmäßige Kontrollen? Von welchem Facharzt? In welchen Intervallen?
- Muss der Patient in der Nähe eines Krankenhauses wohnen?
- Welche Therapie? Von wem durchgeführt?
Es ist auch wichtig zu vermerken, dass der Patient die notwendige Behandlung in Belgien regelmäßig befolgt (z. B. Psychotherapie).
Diese Informationen sind unter anderem auch wichtig für den Anwalt, da er prüfen muss, ob die notwendige Behandlung im Herkunftsland verfügbar ist für den Patienten (Räumlich und finanziell).
Die Aufgabe des Arztes ist es, das Attest wahrheitsgetreu auszufüllen und dabei zu versuchen die Fragen so genau wie möglich zu beantworten. Der Arzt darf dabei im Attest nur Dinge vermerken, die für Ihn konkret feststellbar sind. Diagnosen oder Aussagen zur Situation im Herkunftsland, die rein auf die Äußerungen der Patienten beruhen, werden nicht in Betracht gezogen.
Wichtig: Das Attest muss ebenfalls das Datum, die Unterschrift des Arztes und seinen Stempel mit Vermerk der INAMI Nummer enthalten.
Muss das Dossier aktualisiert werden?
Die Zeitspanne zwischen der Antragstellung und der Bearbeitung des Antrags durch das Ausländeramt kann manchmal lang sein. Daher ist es ratsam, das Ausländeramt regelmässig (ca. alle 3-4 Monate) über die medizinische Situation zu informieren.
Aktualisiert werden sollte der Antrag ebenfalls wenn,
- die medizinische Situation sich verändert hat (andere Behandlung, Hospitalisierung, etc.).
- sich die familiäre Situation in der Kernfamilie, deren Mitglieder im Antrag aufgeführt wurden, verändert hat (Z. B. Geburt eines Kindes).
- der Antragsteller umgezogen ist.
- der Asylantrag definitiv abgelehnt wurde und dem Antrag auf Regularisierung noch kein Identitätsbeweis beigefügt worden ist, sollte dem Ausländeramt spätestens jetzt ein Identiätsbeweis zugestellt werden.
Wichtig: Aktualisierungen können per Fax (02 274 66 71) oder Einschreiben an das Ausländeramt geschickt werden.
Achtung: Adressenwechsel müssen immer per Einschreiben mitgeteilt werden.
Es ist ratsam, eine Kopie der Dokumente, die dem Ausländeramt geschickt werden und die Beweise, dass diese Dokumente verschickt worden sind (Fax Bericht oder Beleg des Einschreibebriefs) sorgfältig aufzubewahren.
Wo findet man Informationen über die Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsland?
Informationen via Datenbanken mit Herkunftsländerinformationen
Beispielsweise:
- asyl.net
- milo.bamf.de
- fluechtlingshilfe.ch
- ecoi.net
- irrico.belgium.iom.int
Wichtig: Bei Informationen, die via Websites gefunden wurden, immer die Website, das Datum der Recherche, die verantwortliche Organisation oder Einrichtung und/oder die Referenzen von Publikationen, auf die im Antrag verwiesen werden, nennen.
Informationen via Spezialisten im Herkunftsland
Man kann auch versuchen Kontakt aufzunehmen mit Spezialisten, die im Herkunftsland tätig sind und die die gleiche Spezialisierung haben, wie der behandelnde Spezialist in Belgien um Informationen über die Behandelbarkeit zu erhalten. Dabei ist es wichtig, dass der Spezialist angibt:
- Ob die Behandlung, so wie im medizinischen Attest beschrieben, zur Verfügung steht im Herkunftsland.
- Falls nicht, ob es alternative Behandlungsmöglichkeiten gibt und wenn ja welche
- Wo die notwendige Behandlung angeboten wird
- Ob es Wartelisten gibt
- Ob es Bedingungen gibt, um die Behandlung zu erhalten (z.B: Krankenversicherung, Zahlung einer Garantie,…)
- Welche Garantien es für die Kontinuität für die Behandlung gibt
- Ob die benötigten Medikamente erhältlich sind (unter Angaben des Wirkstoffes) und wie viel sie kosten
Es ist wichtig, dass die im Herkunftsland konsultierten Personen eine leserliche schriftliche Erklärung diesbezüglich abgeben, mit Angabe ihres Namens, ihrer Spezialisierung, Funktion und ihres Arbeitsplatzes und diese Erklärung unterschreiben. Ist diese Erklärung nicht in Deutsch, Französisch, Niederländisch oder Englisch verfasst, muss sie in Belgien von einem vereidigten Übersetzer in eine der Landessprachen übersetzt werden.
Wie lange dauert die Prozedur?
Der Gesetzgeber hat keinerlei Fristen festgelegt innerhalb derer das Ausländeramt eine Entscheidung treffen muss, weder bei der ersten Phase (Annehmbarkeitsprüfung), noch bei der zweiten Phase (Prüfung zu Grunde).
Konkret bedeutet dies, es ist nicht möglich einzuschätzen, wie lange die Antragsteller auf eine Antwort warten müssen. In der Praxis variiert die Wartezeit meist zwischen 3 und 12 Monaten in der ersten Phase.
Darf der Antragsteller während der Prozedur arbeiten?
Nein, während der Prozedur darf der Antragsteller nicht arbeiten. Erst wenn der Antrag für begründet erklärt worden ist und der Antragsteller eine Aufenthaltsberechtigung von mehr als 3 Monaten (A Karte, gültig für ein Jahr) erhält, kann er mit einer Arbeitserlaubnis C arbeiten.
Erhält der Antragsteller Sozialhilfe während der Bearbeitung seines Antrags?
In der ersten Phase, sprich bis zur Entscheidung der Annehmbarkeit des Antrags, hat der Antragsteller kein Recht auf Sozialhilfe, sondern lediglich auf dringende medizinische Hilfe.
Wird der Antrag angenommen, erhält der Antragsteller (und eventuell seine Familienmitglieder, wenn diese im Antrag explizit erwähnt wurden und eine Kernfamilie mit ihm bilden) eine orange Karte und hat Anrecht auf Sozialhilfe.
Ausnahme hierbei ist Sozialhilfe bei „höherer Gewalt“ (medizinische Gründen):
Menschen, die keinen Aufenthaltstitel besitzen, erhalten in der Regel ausschließlich eine dringende medizinische Hilfe. Es sei denn,
- sie befinden sich in der Unmöglichkeit dem Befehl das Land zu verlassen Folge zu leisten, und
- sie sind hilfsbedürftig.
Laut Verfassungsgerichtshof (Urteil vom 30 Juni 1999 AH 80/99) dürfen ernsthaft kranke Menschen nicht ausgeschlossen werden von Sozialhilfe, wenn die Person „sich in der absoluten Unmöglichkeit befindet dem Befehl, das Land zu verlassen Folge zu leisten“.
In einem späteren Urteil des Verfassungsgerichtshofs (21.12.2005 194/2005) wird die Bedingung der absoluten Unmöglichkeit relativiert und es wird über die „Unmöglichkeit eine adäquate Versorgung im Herkunftsland zu erhalten“ (Wiederholt in einem Urteil vom 21.03.2013) gesprochen.
Menschen die sich in einer solchen Situation befinden, können sich an das ÖSHZ ihres Wohnortes richten. In den meisten Fällen wird das ÖSHZ diesen Antrag ablehnen. Gegen diese Ablehnungsentscheidung kann ein Einspruch beim Arbeitsgericht eingereicht werden (gegebenenfalls im Eilverfahren). Es gibt unterschiedliche Rechtsprechung der Arbeitsgerichte diesbezüglich. Einige interessante Entscheidungen:
- Arbeitsgericht Brügge – Entscheidung im Eilverfahren vom 17.01.2013, Nr.12/19/C
- Arbeitsgericht Veurne – Entscheidung im Eilverfahren vom 13.06.2013, Nr. 13/1/C
- Arbeitsgericht Lüttich- Entscheidung im Eilverfahren vom 20.11.2012, Nr. 2011/AN163
Laut einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (Urteil C-542/13 MBodj gegen den belgischen Staat und Urteil und Urteil C-562/13 ÖSHZ Ottignies Louvain la Neuve gegen Moussa Abdida) vom 14.12.2014 scheint die belgische Gesetzgebung nicht in Einklang mit geltendem EU Recht (Rückkehrrichtlinie). Tatsächlich ist bei einer negativen Entscheidung zum Grunde des Antrags nur ein Einspruch ohne Aufhebende Wirkung möglich. Laut den EU Richtern muss ein Einspruch mit aufhebender Wirkung gegeben sein und muss der Antragsteller während der Einspruchsphase eine Unterstützung erhalten, die ihm ein überleben ermöglichen. Diese Entscheidung fordert den belgischen Gesetzgeber also auf das Gesetzt entsprechend anzupassen. Allerdings sind viele Anwälte der Meinung, dass diese Europäische Jursiprudenz über dem belgischen Gesetzt steht und sofort angewandt werden muss.
Wenn Ihr Antrag aus medizinischen Grunden in einer ersten Phase angenommen worden ist, dass Ausländeramt den Antrag aber dann für unbegründet erklärt hat, sprechen Sie mit Ihrem Anwalt über die Möglichkeit Sozialhilfe zu beantragen.
Darf ich mehrere Anträge auf Regularisierung aus medizinischen Gründen stellen?
Falls Ihr Antrag auf medizinische Regularisierung abgelehnt worden ist, können Sie einen neuen Antrag stellen, wenn Sie medizinische Elemente vorlegen, über die das Ausländeramt noch nicht geurteilt hat.
Falls ein Antrag auf medizinische Regularisierung noch anhängig ist und Sie einen neuen Antrag auf medizinische Regularisierung einreichen, wird das Ausländeramt nur den letzten Antrag beurteilen.