Freiheitsentzug und Ausweisung

Freiheitsentzug/Abschiebung

Wenn eine Person kein Aufenthaltsrecht in Belgien hat, so droht ihr unter Umständen ein Freiheitsentzug in einem geschlossenen Zentrum (nicht in einem Gefängnis)  mit dem Ziel einer Abschiebung ins Herkunftsland.

Ein Freiheitsentzug im Hinblick auf eine Abschiebung  kann in folgenden Fällen erfolgen:

1.Verweigerung des  Zugangs zum belgischen Grundgebiet (also Inhaftierung bei der Einreise). Dies ist möglich in folgenden Fällen:

  • Nicht über die nötigen Einreisedokumente verfügen
  • Das Ziel des Verbleibs nicht beweisen können
  • Nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen
  1. Sie erfüllen nicht die Einreisebestimmungen und stellen einen Asylantrag an der Grenze (Grenze=die belgischen Gebiete, die als Zugangsorte zum Schengen Gebiet gelten: Flughäfen, Häfen und Eurostarterminal)
  2. Sie erfüllen nicht die Einreisebestimmungen und stellen einen Asylantrag auf dem belgischen Grundgebiet. Ein Freiheitsentzug ist hier nur möglich in bestimmten Fällen! (Dublinverfahren, multiple Anträge, Weigerung Fingerabdrücke zu geben oder Fragen des OE zu beantworten, Antrag später als 8 Tage nach Einreise in Belgien, Betrug, …)
  3. Sie verbleiben illegal auf dem belgischen Grundgebiet. (Verbleib in Belgien ohne gültiges Aufenthaltsrecht) Ein Freiheitsentzug ist in diesem Fall möglich, wenn Sie einen Befehl erhalten haben das Land zu verlassen (OQT) oder eine andere Form eines Ausweisungsbeschlusses.
  4. Wenn eine Person ein „schweres Strafregister“ hat, kann sie in gewissen Fällen über einen ministeriellen Erlass zurückgeführt  oder über  einen königlichen Erlass abgeschoben werden (auch wenn er ein Aufenthaltsrecht hat).

Untersuchungshaft :

Falls eine Person von der Polizei festgenommen wird, weil sie keinen Aufenthaltstitel bei sich hat, kann sie so lange von der Polizei festgehalten werden, wie es dauert einen Bericht ans Ausländeramt zu schicken und eine Antwort abzuwarten.

Während der Untersuchungshaft, hat die Person das Recht eine Vertrauensperson über die Verhaftung zu informieren, eine kostenfreie medizinische Behandlung zu bekommen und zu normalen Uhrzeiten zu essen und zu trinken sowie die sanitären Anlagen zu benutzen. Die Person hat des Weiteren das Recht, den Grund ihrer Verhaftung zu erfahren und dies in einer ihrer verständlichen Sprache.

Nach einer Untersuchungshaft gibt es 4 Optionen:

  • Entweder die Person kann gehen ohne einen Befehl zu bekommen das Staatsgebiet zu verlassen, weil sich die Person zum Beispiel in einer Asylprozedur befindet.
  • Die Person wird freigelassen und bekommt einen Befehl das Staatsgebiet innerhalb von 30 Tagen zu verlassen.
  • Die Person wird in ein geschlossenes Zentrum gebracht mit einem Befehl das Staatsgebiet zu verlassen
  • Die Person wird zum Flughafen gebracht mit einem Befehl das Staatsgebiet zu verlassen. (selten)

Eine Person kann maximal 24 Stunden im Kommissariat festgehalten werden, das heißt doppelt so lange wie ein Belgier. Wird sie in ein geschlossenes Zentrum gebracht, erhält die Person bei ihrer Ankunft weitere Informationen. So werden ihr anhand einer DVD die verschiedenen Etappen einer Abschiebung erklärt.

Freiheitsentzug  in einem geschlossenen Zentrum

Im Prinzip kann die Dauer der Haft in einem geschlossenen Zentrum nicht länger als 2 Monate betragen. Es ist allerdings möglich, dass diese Dauer um 2 Monate verlängert wird. Daraufhin kann die Dauer noch einmal um einen Monat verlängert werden. Die Haftdauer kann also nicht länger als 5 Monate betragen. In außergewöhnlichen Situationen, in denen beispielsweise die Staatssicherheit in Gefahr ist, kann die Dauer um jeweils einen Monat verlängert werden.

Die geschlossene Zentren befinden sich in Nähe vom Brüsseler Nationalflughafen (  127bis, Caricole), in Brügge, Merksplas und in Vottem ( in der Region Lüttich). Diese Zentren werden vom Ausländeramt verwaltet.

Freiheitsentzug und Minderjährige:

Im Prinzip können auch Minderjährige oder Familien mit minderjährigen Kindern aufgrund ihrer aufenthaltsrechtlichen Situation verhaftet werden.  Allerdings müssen die Haftbedingungen dann den Bedürfnissen der Minderjährigen angepasst sein. Zurzeit erfüllt kein geschlossenes Zentrum in Belgien dieses Kriterium.

Für Familien mit minderjährigen Kindern gibt es die Möglichkeit der sogenannten  offenen Rückkehrwohnungen. Diese werden von Fedasil verwaltet und bieten eine Unterkunft für Familien die auf ihre Rückkehr warten.  Kooperiert die Familie nicht bei der Planung der Rückkehr ins Herkunftsland, kann ein erwachsenes Familienmitglied in ein geschlossenes  Zentrum gebracht werden.

MENAS: Unbegleitete Minderjährige können bei  einer Verweigerung des Zugangs zum Grundgebiet maximal 6 Tage inhaftiert werden, wenn ein Zweifel an Ihrer Minderjährigkeit besteht. In allen anderen Fällen ist die Inhaftierung von Unbegleiteten Minderjährigen in einem geschlossenen Zentrum nicht erlaubt.


Einspruchsmöglichkeiten

Gegen eine Inhaftierung im geschlossenen Zentrum kann ein Einspruch bei der Ratskammer des  Korrektionalgerichts eingereicht werden. Dieser Einspruch hat keine Aufhebende Wirkung. Gegen die Entscheidung der Ratskammer kann binnen 24 Stunden ein Einspruch bei einer Anklagekammer (Chambre de mise en accusation) eingereicht werden.

Gegen eine Anordnung das Land zu verlassen kann ein Einspruch beim Rat für Ausländerstreitsachen eingereicht werden. Dieser Einspruch hat keine Aufhebende Wirkung. Am besten wird gleichzeitig auch ein Antrag auf Aufhebung beantragt.  Im Falle einer Inhaftierung im Hinblick auf eine Abschiebung kann der Antrag auf Aufhebung in Dringlichkeit beurteilt werden.

 

Die Abschiebung

Die Abschiebung wird vom Ausländeramt organisiert und von der Polizei begleitet. Es gibt verschiedene Etappen einer Ausweisung:

  • Die Person tritt die Reise allein an, ohne polizeiliche Begleitung um eine diskrete Rückreise zu garantieren.
  • Falls die Person sich weigert wird sie von einer polizeilichen Eskorte abgeholt und zum Flughafen gebracht. Danach wird die Person dazu aufgefordert in ein Flugzeug zu steigen. Wenn die Person dies ebenfalls verweigert, wird sie in ein geschlossenes Zentrum zurückgebracht.
  • Während des nächsten Ausweisungsversuchs können die Polizisten die Person forcieren ins Flugzeug zu steigen und begleiten die Person während der Reise.
  • Scheitert dies auch, können die Polizisten erneut versuchen die Person mit Gewalt ins Flugzeug zu bekommen. In gewissen Fällen kann dazu ein Spezialflug gechartert werden. In diesen Fällen wird die Person von einem Arzt und einem Kontrolleur der Allgemeinen Inspektion der Polizei begleitet. Ein Übersetzer ermöglicht es der Person in der eigenen Sprache mit den Arzt zu reden.

 

Gut zu wissen:

Personen, die sich in einer Prozedur der organisierten freiwilligen Rückkehr befinden  und das entsprechende IOM Formular unterschrieben haben, dürfen nicht  im Hinblick auf eine Abschiebung inhaftiert werden.

Bei Familien mit Schulkindern,  darf die Ausweisung nicht zwischen den Osterferien und dem Ende des Schuljahres durchgeführt werden, damit die Kinder das Schuljahr beenden können.

Bei einer Inhaftierung im Hinblick auf eine Abschiebung, haben Sie das Recht  einige Ihrer Sachen mitzunehmen und eine Bestandsaufnahme ihrer Habseligkeiten, die Sie in Belgien zurücklassen, zu bekommen, sowie eine Beschreibung, wie sie diese zurückbekommen können.

Im geschlossenen Zentrum  haben  Sie

  • das Recht einen Anruf von Max. 10 Minuten innerhalb Belgiens zu tätigen, für den sie nicht bezahlen müssen.  Sie können außerdem jederzeit zwischen 8.00 Uhr und 20.00 Uhr ihren Anwalt anrufen (Kostenlos).  Für Telefonate mit Dritten (Freunde, Familienmitglieder,…) müssen Sie zahlen.
  • das Recht ihren Anwalt zu konsultieren und einen Antrag auf juristische Hilfe zu stellen, falls sie keinen Anwalt haben (Fragen Sie explizit danach, falls man Sie nicht darüber informiert)
  • das Recht Briefe zu verschicken und zu erhalten. Allerdings unterliegen nur die Briefwechsel mit Ihrem Anwalt oder gerichtlichen Instanzen dem Briefgeheimnis.
  • das Recht Besuch zu erhalten. Der Besucher muss sich ausweisen können. Enge Familienmitglieder haben das Recht Sie zu besuchen. Freunde und Bekannte müssen eine vorherige Erlaubnis beantragen. Am besten Ihr Besuch informiert sich vorher telefonisch über die Besuchsmodalitäten.

Einige Nichtregierungsorganisation besuchen wöchentlich die geschlossenen Zentren (allerdings nicht im Transitzentrum Carricole). Versuchen Sie einen ihrer Mitarbeiter zu sprechen. Sie können Ihnen wichtige Informationen geben.