Regularisierung aus medizinischen Gründen (9ter)

Ein Ausländer, der sich in Belgien befindet, kann bei einer ernsten und langwierigen Krankheit ein Aufenthaltsrecht aus medizinischen Gründen beim Ausländeramt beantragen. Es handelt sich hierbei um die sogenannte Regularisierung aus medizinischen Gründen, auch 9ter Prozedur genannt.

Ein Antrag auf Regularisierung aus medizinischen Gründen ist nur sinnvoll, wenn ein  Aufenthalt von mehr als 3 Monaten notwendig ist.

Bei Krankheiten, die für kurze Zeit (weniger als 3 Monate) nicht erlauben Belgien zu verlassen, ist es besser, je nach Situation, eine Verlängerung der Frist der Anordnung das Land zu verlassen oder des befristeten Aufenthalts beim Ausländeramt zu beantragen.

BEDINGUNGEN
Die Bedingungen, einen Antrag auf Regularisierung zu stellen sind:

Sie müssen Ihre Identität/Herkunft beweisen können.
Sie müssen sich bereits in Belgien befinden (ob mit oder ohne legalem Aufenthalt)
Die Krankheit muss ernst sein, d. h. Sie müssen beweisen, dass die Krankheit ein reelles humanitäres Risiko birgt. Das ist der Fall, wenn es keine adäquate Behandlung im Herkungstland gibt oder diese nicht zugänglich ist und daher ein reelles Risiko auf ernsten Schaden besteht für Ihr Leben oder Ihre physische Integrität oder Ihnen eine erniedrigende oder menschenunwürdige Behandlung droht.

PROZEDUR

1. Antragstellung

Der Antrag muss per Einschreiben beim Ausländeramt eingereicht werden:

Ausländeramt
Dienst Humanitaire Regularisierungen – artikel 9ter
Antwerpsesteenweg 59B
1000 Brüssel

Der Antrag muss dabei folgende Informationen enthalten:

  • Identität des Antragstellers (Vorname, Familienname, Nationalität, Nationalregisternummer und SP Nummer
  • Identität der Kernfamilie
  • Adresse des effektiven Wohnorts
  • Adresse des gewählten Wohnorts
  • Informationen zum Vorhandensein und zur Zugänglichkeit der notwedigen medizinischen Behandlung im Herkunftsland
  • Informationen zu Ihrem Gesundheitszustand Mittels einer „Attestation médicale type“, ausgefüllt von einem belgischen Arzt. Dieses Attest darf bei Antragstellung nicht älter als 3 Monate  sein.

Sie benötigen ein Dokument zum Beweis Ihrer Identität und Nationalität. Am besten erfogt dies mittels gültigem Pass oder Ausweis, es können unter Umständen und im Einzelfall jedoch auch andere Beweise berücksichtigt werden.Diese Bedingung entfällt, solange Sie sich noch in der Asylprozedur befinden.
Sobald die Asylprozedur abgeschlossen ist, müssen Sie als  Antragsteller einen Beweis Ihrer Identität beim Ausländeramt spontan nachreichen (per Einschreiben).

2. Prüfung der Annehmbarkeit
Das Ausländeramt prüft in einer ersten Phase, ob Ihr Antrag vollständig ist, sprich ob alle notwendigen Dokumente vorhanden sind und Ihre Krankheit offensichtlich dem Schweregrad entspricht, der in Art. 9ter beschrieben wird (medizinischer Filter).

Ist dies der Fall, weist das Ausländeramt die Gemeinde an, eine Wohnort- und Identitätskontrolle durchzuführen. Verläuft diese positiv, d. h. halten Sie sich als Antragsteller tatsächlich an der im Antrag angegebenen effektiven Adresse auf und können Sie Ihre Identitätsdokumente im Original vorlegen, wird der Antrag für Annehmbar erklärt. Sie erhalten ein befristetes Aufenthaltsrecht von maximal 3 Monaten (Orange Karte), verlängerbar bis eine Entscheidung zum Grunde getroffen worden ist. Ab Ausstellung der Orangen Karte haben Sie Anrecht auf Sozialhilfe.

Wird Ihr Antrag für nicht annehmbar (non recevable) erklärt, erhalten Sie den negativen Bescheid mit Begründung der Ablehnung und evtl. einen Ausweisungsbefehl. Gegen diese Entscheidungen des Ausländeramtes können Sie innerhalb von 30 Tagen nach Notifizierung der  Einspruch beim Rat für Ausländerstreitsachen (RAS) einreichen.  Annuliert der RAS die Entscheidung, muss das Ausländeramt eine neue Entscheidung treffen. Bestätigt der RAS die Entscheidung, ist die Prozedur beendet.

3. Prüfung zum Grunde
Während dieser 2. Phase der Prozedur wird der Amtsarzt des Ausländeramtes auf Basis des eingereichten Dossiers eine Beurteilung des Risikos Ihrer Krankheit vornehmen. Er kann Sie als Antragssteller für weitere Untersuchungen vorladen. Er kann auch einen externen Spezialisten hinzuziehen. Der Amtsarzt untersucht ebenfalls die Möglichkeiten der Behandlung der Krankheit in Ihrem Herkunftsland. Er muss hierbei nicht nur prüfen, ob die notwendige Behandlung existiert sondern auch, ob sie effektiv zugänglich ist für Sie (beispielsweise finanziell oder auch räumlich).

Nach der Prüfung des Dossiers gibt der Amtsarzt eine Empfehlung. Der für das Dossier zuständige Beamte trifft dann eine Entscheidung aufgrund der Empfehlung des Arztes und der übrigen Elemente (beispielsweise öffentliche Ordnung und Sicherheit).

Achtung: Es ist Ihre Aufgabe als Antragsstellers zu beweisen, dass die Behandlung im Herkunftsland nicht zugänglich ist. Der Antrag muss also fundierte Informationen diesbezüglich enthalten (Berichte von ONG´s, Aussagen von Ärzten, Apothekern vor Ort, etc.).


4. Entscheidung zum Grunde
a) Wird Ihr Antrag für nicht begründet erklärt (non fondé), wird die Orange Karte eingezogen und Sie erhalten einen negativen Bescheid  mit Begründung der Ablehnung und eventuell einem Befehl, das Land zu verlassen.
Gegen diese Entscheidung ist ein Einspruch beim Rat für Ausländerstreitigkeiten innerhalb von 30 Tagen möglich.

Dieser Einspruch hat keine Aufhebende Wirkung. Das heisst, die Entscheidung bleibt Rechtswirksam bis zu einer Entscheidung des Rates für Ausländerstreitigkeiten. Sie haben also in der Regel kein Aufenthaltsrecht während dieser Einspruchsphase.
Der Rat für Ausländerstreittigkeiten kann die Entscheidung des Ausländeramtes nur annullieren oder bestätigen.
Annulliert der Rat für Ausländerstreitigkeiten die Entscheidung zum Grunde, muss das Ausländeramt eine neue Entscheidung treffen und Sie erhalten Ihre Orange Karte zurück bis das Ausländeramt eine neue Entscheidung getroffen hat.
Bestätigt der RAS die Entscheidung, bleibt diese Rechtswirksam.

b) Wird der Antrag angenommen, erhalten Sie einen befristeten Aufenthalt für ein Jahr (A Karte).
45 Tage vor Ablauf des Aufenthaltsrechts haben Sie die Möglichkeit, einen Antrag auf Verlängerung Ihres Aufenthaltsrechts bei der Gemeinde einzureichen. Dabei müssen Sie beweisen, dass eine Rückkehr in Ihr Herkunftsland aufgrund der medizinischen Situation immer noch nicht möglich ist.